Live From Bagdad

- Januar 27, 2012

Manchmal denke ich daran, dass die Telefone in meiner Kindheit grau waren, eine Wählscheibe hatten und einen schweren Hörer, der an einer gedrehten Schnur hing. Die Wählscheibe verursachte beim Wählen der Nummer so ein ratternd-klackerndes Geräusch, das ich heute noch im Ohr habe. Jede Einheit kostete einzeln und Ferngespräche waren teuer. Wollte ich meine Gastfamilie in Amerika anrufen, ging ich noch Ende der Achtziger Jahre in eine Telefonzelle und benutzte zur Kostenkontrolle eine Telefonkarte, die ich zuvor mit 50 Mark aufgeladen hatte.

Die grauen Telefone meiner Kindheit

Letztes Wochenende wurde ich wieder an die Telefone meiner erinnert. Und an den Datenschutz. Beides fügte sich auf unterhaltsame Weise in einem langjährigen Freund zusammen, den ich kenne, seit wir beide dreizehn Jahre alt waren. Wir saßen in einem vollen Restaurant beim Essen, ziemlich dicht neben einem Ehepaar um die sechzig, das sich geschlagene zwei Stunden anschwieg und dafür aber umso genauer unsere Unterhaltung mit zu hören schien. Mein Freund berichtete mir von seiner neuen Liebe, einem Amerikaner, der als IT-Spezialist in Bagdad für irgendeine Firma arbeitet, die wiederum Dienstleister für das Militär ist. Was genau er dort tut ist ein großes Geheimnis. Er habe auch viele Jahre als Immobilienmakler gearbeitet, nur so viel habe er noch verraten. Welche IT-Firma stellt einen 50jährigen ein, der vorher Makler war? sagte ich zu meinem Freund, den ich hier Hans nenne. Das hört sich für mich eher an, als ob du dich in einen Spion verguckt hättest.

Fernliebe in Zeiten der Überwachungsmöglichkeiten

Ich merkte an, dass ich mit so jemandem nicht ohne Weiteres online kommunizieren würde, als Hans berichtete, neulich habe sich sein E-Mail Programm so komisch verhalten und habe während des Schreibens seine Worte gelöscht. Soll doch dein Liebster mal für eine gesicherte Verbindung sorgen! sagte ich. Hans konnte meine Bedenken nicht so richtig nachvollziehen. Wen sollten denn schon ein paar Liebeserklärungen und sexuelle Phantasien interessieren? Er hatte überhaupt keine Vorstellung davon, was technisch alles möglich ist, wenn erst mal jemand unberechtigten Zugriff auf seinen Rechner hat. Und er wähnte sich in Sicherheit – frei nach dem Motto, „Ich tue niemandem was, also wird mir auch niemand was tun“.

Privatsphäre?

Doch ein wenig nachdenklich geworden ob meiner Vorträge über IT-Sicherheit im Allgemeinen und die Bösartigkeit von Geheimdiensten im Besonderen zückte er dann kurz darauf – anscheinend völlig unbeeindruckt von unseren Mithörern – sein iPhone, warf Skype an und sagte, ich könne seinem Lover das mit der gesicherten Kommunikation ja gleich mal selber erklären, er hätte ihm eh noch einen Anruf versprochen. Ich lehnte dankend ab und verdrückte mich vorläufig auf die Toilette. Das hinderte Hans dann aber nicht, mir nach meiner Rückkehr ein verpixeltes Live-Bild aus Bagdad vor die Nase zu halten, auf dass der Amerikaner wenigstens einen optischen Eindruck von mir bekomme: „I show you my friend …“ und dann folgten Liebeserklärungen in einem dicht besetzten Restaurant. Datenschutz? dachte ich seufzend. Privatsphäre? War da was?

Nur im Kopf

Als wir ein paar Tage später noch mal darüber sprachen, regte sich mein Freund mehr über das lauschende Paar am Nebentisch auf, als über alle real bestehenden Szenarien der technischen Überwachung, die ich ihm geschildert hatte. Eigentlich würden wir doch bei einem simplen Restaurantbesuch viel mehr von uns preisgeben, warum also noch Datenschutz? Weil unsere Geschichten nach dem Restaurantbesuch nur in den Köpfen der sprachlosen Alten sind, antwortete ich. Nicht online abrufbar, nicht verknüpfbar mit anderen Informationen über uns, nicht lebenslänglich gespeichert und für alle Welt verfügbar. Darum Datenschutz. Unter anderem.

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