Big Brother kommt heute in anderen Gewändern

- Dezember 21, 2010

Vor kurzem habe ich an dieser Stelle die Frage aufgeworfen, warum uns eigentlich der Umgang mit unseren Daten so gleichgültig ist, so gleichgültig zu sein scheint. Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass es vielleicht auch einfach daran liegt, dass die Welt technisch so kompliziert geworden ist. Komplizierter, als die meisten von uns verstehen können, die schon froh sind, wenn sie ihre Textverarbeitung einigermaßen beherrschen.

Verhaltensbasierte Werbung („behavioural advertising“) ist eine besondere Art der Werbung im Internet, bei der durch den Einsatz einer speziellen Software auf Webseiten unser aller Schritte im Internet beobachtet werden, um uns mittels Werbebannern Werbung anzuzeigen, die auf unsere – vermeintlichen oder tatsächlichen – Interessen zugeschnitten sein soll. Wer also auf Spiegel online einen Artikel über Rom liest, muss damit rechnen, zukünftig Werbung für römische Hotels oder italienische Mode eingeblendet zu bekommen. Diese Art der Werbung ist deshalb besonders, weil sie nicht nur unsere Interessen auf einer einzelnen Seite auswertet (wie z.B. Amazon es tut), sondern unser Verhalten über viele verschiedene Webseiten hinweg verfolgt und aufzeichnet, und das sehr detailliert. So ist es nicht nur möglich zu erkennen, dass ein Nutzer sich auf Spiegel online aufgehalten hat und wie lange, sondern auch welche Artikel er gelesen hat und ob er die Autowerbung neben dem Artikel angeklickt hat.

Es ist unschwer vorstellbar, dass diese Informationen zusammengefügt und zur Erstellung umfassender Persönlichkeitsprofile benutzt werden können – und aller Wahrscheinlichkeit nach auch werden. Die dahinter liegende Technologie ist komplex und basiert auf dem Einsatz von Cookies. Die Anbieter der einschlägigen Software versichern unisono, dass dies alles völlig harmlos sei, selbstredend nur zu unserem Besten (wer wolle schon Werbung haben, die ihn nicht interessiere?) und ohne Bezug zu der einzelnen Person geschehe. Das erscheint jedoch höchst zweifelhaft, denn der Einsatz von Cookies basiert auf der Erfassung der IP-Adresse eines Rechners und die IP-Adresse gilt zumindest nach europäischer Interpretation und deutschem Datenschutzrecht als personenbezogenes Datum. Nun kann man einwenden, dass die IP-Adresse nur eine Nummer ist, die einen Rechner im Internet identifiziert, nicht aber die Person, die den Rechner nutzt. Die IP-Adresse allein ist vielleicht nur schwer auf eine einzelne Person zurück zu führen. Wenn sie aber mit anderen Informationen verknüpft wird, mit Angaben aus einem Benutzeraccount, einer Online Bestellung und ähnlichem, ist der Personenbezug sehr einfach herstellbar.

Ich kenne nur einen Anbieter solcher Tracking Software, von dem ich ganz sicher weiß, dass er die IP-Adressen frühzeitig anonymisiert. Auf diese Weise können dann keine Nutzerprofile erstellt werden. Es gibt meines Wissens nach ein oder zwei weitere, die ähnlich arbeiten. Bei allen anderen bleibt die Tatsache, dass über uns Daten erhoben werden, von denen wir nicht wissen, zu welchen Zwecken sie mit welchen anderen Informationen über uns verknüpft werden.

Bisher ist diese Art der Werbung nach deutschem Recht erlaubt, wenn sie unter Einsatz eines Pseudonyms erfolgt und der Nutzer nicht widersprochen hat. Auf dieses Recht muss der Nutzer in der Datenschutzerklärung des Webseiten Anbieters hingewiesen werden (§ 13 Telemediengesetz). Schon diese Vorschrift wird in der Praxis flächendeckend missachtet. Manche Anbieter sind dazu übergegangen eine Art globale Widerspruchsmöglichkeit gegen das Verfolgen von Nutzer Aktivitäten im Internet mit ihrer Software bereit zu stellen („Opt-Out“). Dies wird allerdings kaum ein Durchschnittsnutzer in Anspruch nehmen können. Dafür muss man erst einmal den Vorgang der verhaltensbasierten Werbung als solches namentlich kennen, dann zu Webseiten des spezifischen Anbieters finden und dort noch die Opt-Out Möglichkeit finden, die sich in der Regel in umfangreichen allgemeinen Erklärungen zum Datenschutz versteckt. Das alles oft auch noch in englischer Sprache. Im Übrigen gilt der Widerspruch dann auch nur für den einen Anbieter – alle anderen verfolgen uns weiter oder wir müssen für ihre Software dieselbe Prozedur durchlaufen.

Eine Änderung des europäischen Rechts wird in absehbarer Zeit auch das deutsche Recht an dieser Stelle ändern. Zukünftig wird aller Voraussicht nach der Einsatz von Tracking Software zum Zweck der verhaltensbasierten Werbung nur noch nach der vorherigen informierten Einwilligung der Nutzer erlaubt sein. Die Einzelheiten, die, so meine ich, eine interessante Entwicklung europäischer Datenschutzpolitik und europäischen Datenschutzrechts darstellen, bleiben einem weiteren Beitrag an dieser Stelle vorbehalten.
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