Videoüberwachung (2)

- September 7, 2014

Als ich neulich hier über Videoüberwachung schrieb, fiel mir noch ein anderer interessanter Fall zu dieser Thematik ein. Im Zusammenhang mit einem neuen Mandat als externe betriebliche Datenschutzbeauftragte erfuhr ich von einer Software, die in elektronischen Werbeplakaten steckt. Werbeplakate, wie wir sie aus Bahnhöfen und Fußgängerzonen kennen, die wechselnde bewegte Bilder abspielen. Hält sich eine Person in einem bestimmten Winkel vor dem Plakat auf, werden mittels einer Kamera und der Software ihre Altersgruppe und ihr Geschlecht bestimmt. Die Ergebnisse können dann entweder nur statistisch ausgewertet werden („24 weibliche Personen zwischen 20 und 30 haben diese Anzeige 25 Sekunden lang angesehen“) oder zur interaktiven Steuerung der angebotenen Werbeanzeige in Echtzeit genutzt werden, indem der Zielgruppe auf Alter und Geschlecht zugeschnittene, mutmaßlich passende Anzeigen präsentiert werden. Der Prozess läuft vollautomatisch im Hintergrund unsichtbar durch die Software gesteuert.

Videobeobachtung?

Ist das ein Fall einer Videobeobachtung in Sinne von § 6b BDSG?, fragte der Kunde mich – und ich mich auch. Die mögliche Folge wäre, dass die Bestimmungen des § 6b BDSG und darunter auch die Kennzeichnungspflicht eingehalten werden müssten. Der Witz am Rande war, dass eine Schweizer Bank sich für den Einsatz der Software an ihren Geldautomaten interessierte und dann aber von dem Vorhaben Abstand nahm. Begründung: Man könne es seiner Klientel nicht zumuten in der Bank gefilmt zu werden.

Die Beobachtung im Sinne des Gesetzes

Für die Anwendbarkeit des § 6b BDSG müsste der Einsatz der Software, die Aufnahme von Videobildern zum Zweck der Analyse von Alter und Geschlecht, zunächst als eine Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) i.S.d. § 6b Abs. 1 BDSG einzuordnen sein. „Beobachten“ in diesem Sinn setzt eine optische Erfassung voraus, die schon nach seinem Wortsinn durch eine gewisse Dauer gekennzeichnet ist. Es kommt nicht darauf an, ob eine Speicherung des Bildmaterials erfolgt, so dass auch Kamera-Monitor-Systeme („verlängertes Auge“) in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Eine Videoüberwachung im Sinne des § 6b BDSG liegt lediglich dann nicht vor, wenn es sich nur um Einzelbildaufnahmen handelt.

Genaue Analyse nötig

Eine genauere Betrachtung der Arbeitsweise der Software ergab, dass die aufgenommen Videodaten Frame für Frame in Echtzeit analysiert und die dabei entstandenen quantitativen Auswertungsdaten in der Applikation zur Verfügung gestellt werden. Damit werden die Videodaten in anonyme quantitative Daten über Anzahl, Geschlecht und Alter umgewandelt. Die Software verarbeitet die Live-Bilder ausschließlich im Arbeitsspeicher als Einzelbilder zu jeweils einer Dauer einer 1/25 Sekunde (was der normalen Video-Framerate für die europäische PAL-Norm entspricht). Damit wird ein Einzelbild nicht länger als eine 1/25 Sekunde gespeichert und danach sofort überschrieben. Da dies ausschließlich im Arbeitsspeicher erfolgt stehen die Bilder auch nicht für weitere Auswertungen und Programme zur Verfügung.

Keine Beobachtung, kein § 6b BDSG

Die Tatsache des Nicht-Speicherns der Bilder allein würde der Annahme einer Videobeobachtung noch nicht im Weg stehen, jedoch werden die Bilder schon nach 1/25 Sekunde wieder überschrieben. Insofern liegt hier nur eine – extrem kurze – Aufnahme von Einzelbildern vor. Die vom Gesetz geforderte „gewisse Dauer“ der Beobachtung ist nicht gegeben und damit im Ergebnis auch keine Videobeobachtung. Die Prüfung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6b BDSG war damit entbehrlich.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie eng im Datenschutz Recht und Technik verzahnt sind. Und genau wegen solcher Fragestellungen wird mir die Arbeit als betriebliche Datenschutzbeauftragte nie langweilig. Praktisch nützliche Ergebnisse erzielt man oftmals nur, wenn man weit in die Details einsteigt. Abgesehen von der Klarheit für die Kunden wird diese Mühe dann mit Einsichten in Abläufe und Ereignisse belohnt, die man sonst nie von Nahem zu sehen bekommen würde.

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